Marlene Jahl (Sen +73kg), das aktuelle Aushängeschild des Askö Taekwondo Traun, erzielte 2017 tolle Ergebnisse für das österreichische Nationalteam. So konnte sich die 22-Jährige nach Silber bei den Croatia Open, auch eine Bronze Medaille bei den French Open 2017 ergattern und ist mittlerweile in der europäischen Spitze angekommen. Einer ihrer größten Erfolge war jedoch eine Silbermedaille beim stark besetzten Weltranglistenturnier in Bulgarien im März 2016. Mit diesen Triumphen konnte sie sich im Dezember 2017 schließlich auf Platz 35 in der Weltrangliste verbessern! Wir trafen die Oberösterreicherin vor Weihnachten und sprachen mit ihr über ihre Erfolge und ihrem größten sportlichen Traum – Olympia 2020.
Kampfsport1.at: Hallo liebe Marlene, vielen Dank für deine Zeit. Gratulation für deine tollen Errungenschaften 2017, erzähl uns doch etwas über dein letztes Turnier.
-Wir waren gerade bei der EM und da bin ich Fünfte geworden. Da ist natürlich eine gute Leistung, was mich sehr stolz macht, dennoch war ich etwas enttäuscht, da ich den Medaillenkampf verloren habe. Wir haben uns sehr lange mit zwei, drei Trainings am Tag vorbereitet. Es war sehr intensiv und deshalb war es noch schöner dafür belohnt worden zu sein.
Wie intensiv waren denn deine Trainings?
-Es kommt immer auf die Wettkampfphase an. Jetzt sind wir gerade im Aufbau, d.h. es gibt viele körperliche Sachen, also eher anstengend, aber kurz vor den Turnieren ist sehr viel Technisches, Taktisches zu machen. Da ist es nicht sehr anstrengend, jetzt gerade aber schon, da es um die Schnelligkeit auch geht.
Du sprichst “jetzt gerade” an, heißt das, dass du gar keine Pause jetzt zur Weihnachtszeit hast?
-Nein, Weihnachten wird durchtrainiert. Eine Woche nach der EM hatte ich Pause. Da wir aber sehr viele Ziele für das erste Halbjahr 2018 haben, wurde gleich weitertrainiert.
Welche Ziele konkret meinst du?
-Punkte für die Weltrangliste zu sammeln, dass ich noch weiter vorne komme und mich für die Grand Prix Serie qualifiziere. Bei der nächsten EM in Mai soll sich dann hoffentlich eine Medaille ausgehen.
Das hört sich nach sehr viel Training an, wie kannst du das mit deinem normalen Leben vereinbaren?
-Sehr eng, ich studiere nebenbei noch Medizin und muss das alles irgendwie unter einen Hut bringen, aber es geht 🙂 Mein erstes Training beginnt bereits von 06.30 bis 08:00 Uhr. Mein Trainer muss dann in die Arbeit und ich zur Uni. Um 12 Uhr ist dann das nächste Training dran und dann noch am Abend von 18.00 bis 20:00 Uhr.
Wie lange lebst du schon diesen Rhythmus?
-Seit einem Jahr erst. Seit ich in Wien wegen dem Studium wohne. Davor war es etwas gemütlicher. Seit ich hier bin starten wir voll durch.
Kann man sagen, dass es davor eher ein Hobby war und seit du in Wien bist, gehst du das alles professionell an?
-Ja genau, ich habe mich dazu entschlossen mein Hobby professionell auszuüben. Ich bin quasi in Oberösterreich entdeckt worden. Dort gibt es diese Landeskadertrainings, wo ich einmal dabei war. Der Trainer kam dann zu mir und fragte mich nicht, ob ich es angehen möchte, da ich in einer Gewichtsklasse bin, wo schnell etwas voran gehen kann und es nicht viele Teilnehmer gibt. Zudem sah er Potenzial in mir. So begann das eben in Oberösterreich mit mehreren Trainings und seit ich in Wien bin, starten wir voll durch.
Wie ist das mit der Unterstützung, bekommst du da ausreichend welche?
-Es ist nicht leicht Sponsoren für Taekwondo zu finden, weil es ja doch eine Randsportart ist, deswegen kommt viel Unterstützung durch meine Eltern, auch finanziell. Dort, wo ich beispielsweise meine Trainings mache, ist angemietet und da hilft eben meine Familie mit. Wir haben nur ein begrenztes Budget. Hiermit starte ich den Aufruf für etwaige Sponsoren, ich würde mich sehr freuen und bedanke mich schon ‘mal 🙂
Deine Trainer, die machen das also auch nebenbei?
-Genau, ehrenamtlich, was mich umso mehr ehrt, denn sie glauben wirklich an mich, sonst würden sie nicht ihre Freizeit opfern und das wiederum spornt mich an mehrere Turniere zu meistern.
Was bestimmt viele unserer Leser interessieren wird, wie bist du eigentlich zu diesem Sport gekommen?
-Mit 14 Jahren habe ich bei einem Sommerprogramm für Freizeitgestaltung mitgemacht. Ein paar meiner Freundinnen wollten Taekwondo zur Selbstverteidigung machen. Wir sind eben hingegangen und es was quasi wie Liebe auf den ersten Blick. Die Trainings haben mir viel Spaß gemacht und so begann alles hobbymäßig – bis vor zwei Jahren eben. Mit 19, 20 ging es dann in Richtung Leistungssport, eigentlich ziemlich spät, denn viele fangen mit acht Jahren an.
Wie sieht es mit Vorbildern aus? Hast du jemanden an den du dich orientierst?
-Eine gute Frage. Bianca Walkden würde ich sagen. Sie hat viermal diese Grand Prix-Serie gewonnen, und da möchte ich wenigstens annähernd dahin kommen. Das wäre echt super.
Einer deiner Ziele oder hast du einen ganz großen sportlichen Traum?
-Das große Ziel ist natürlich die Qualifikation für Olympia, aber auf diesem Weg gibt es diese kleinen Schritte, unter anderem eine Grand Prix-Medaille.
Wie sehr siehst du momentan deine Chancen das große Ziel zu erreichen?
-Es ist eine realistische Chance.Es gibt dieses Qualifikationsturnier. Die ersten sechs qualifizieren sich aus der Weltrangliste und eben jene aus den kontinentalen Qualifikationsturnieren. Da müsste ich erste oder zweite werden.
Ihr seid ja ein Team, mit demselben Ziel, wie sehr tauscht ihr euch aus?
-Wir sind zwar meisten räumlich und zeitlich getrennt, weil viele in Tirol bzw. in Wien trainieren. Im Jänner fahren wir gemeinsam ins Trainingslager. Auf das freue ich mich schon, weil wir uns gegenseitig unterstützen und pushen. Schließlich haben wir alle das eine Ziel von Olympia 🙂
Wie sieht es mit deiner Ernährung aus?
-Ich schaue generell, dass ich mich gesund ernähre. Ich muss mich auch gut regenerieren, wenn wir körperlich anstrengende Sachen machen und das geht eben auch über die Ernährung. Wenn man nur Schokolade isst, dann merkt man das im Training. Ich spreche aus Erfahrung. Man ist einfach schwächer und lasch, man hat weniger Energie. Ich habe mir auch immer gedacht, dass das nur Gerede ist, aber nein, es ist wirklich so.
Du bist auch schon viel herum gekommen, welches Turnier hat dich am meisten geprägt?
-Das waren die Croatia Open im Oktober. Da habe ich die Nummer Sechs der Welt besiegt. Das war ein echt cooles Gefühl. Einfach super.
Hättest du dir das gedacht?
-Nein. Wir haben davor das ganze Taktische besprochen und was wir machen werden. Ich dachte, dass es unwahrscheinlich sein wird, dass ich gewinnen werde. Es ging mehr um den Spaßfaktor. Doch dann war ich von Anfang an in Führung und habe es sogar bis zum Schluss durchhalten können, bis auf zwei, drei Momente, wo es etwas knapp wurde und dann einfach raus zu gehen zum Trainer, der sich auch so sehr gefreut hat und auszuklatschen – das war der größte Moment bis jetzt! Sie ist bei der letzten Grand Prix-Serie Zweite geworden und hat einige Medaillen im letzten halben Jahr gemacht.
In diesem Fall hast du einen verdienten Sieg nachhause mitnehmen können, doch wie gehst du mit Niederlagen um?
-Ich bin sehr emotional- immer noch. Das glaub ich wird sich nicht legen, aber all diese Gefühle kommen nun mal hoch, wenn man sich so lange auf etwas vorbereitet und zum Schluss leider nicht ausreichend war. Man ist eben enttäuscht, aber das ist gleichzeitig auch die Motivation weiterzumachen.
Kurz vor Turnierbeginn, was machst du da?
-Ich berede mit meinem Trainer Markus Weidinger die Taktik. Ich versuche das dann davor durchzuspielen, da ich die Gegner schon kenne. Dann gehe ich einkicken, damit ich in Stimmung komme und dementsprechend auch aggressiver werde.
Interessant, du wirst “aggressiv” gemacht, wie kann man sich das vorstellen? Wirst du dazu gedrillt oder spricht dein Trainer strenger?
-Das passiert eigentlich non-verbal, alleine wie er die Pratzen haltet. Der Kampfschrei Kiap darf nicht fehlen. Da komme ich dann ganz gut in die aggressive Stimmung.
Du hast angesprochen, dass du deine Gegner meisten schon kennst, gibt es auch welche, die du nicht kennst?
-Das ist meistens in der ersten Runde. Da gibt es mehr unbekannte Gesichter und in der zweiten Runde sind dann meistens die Top-Leute dabei. Deswegen ist der erste Kampf immer der Schwierigste, weil man nicht weiß was der Gegner macht. Das Videomaterial ist auch dementsprechend knapp. So wird es schwierig die Taktik festzulegen und sich das das zu visualisieren. Im ersten Kampf ist das immer schwieriger.
Wann erfährst du wann dein erster Gegner sein wird?
-Meistens am Abend davor, da kommen die Pool-listen, wo man dann weiß gegen wen man antritt. Mein Trainer überlegt sich dann was wir machen, schaut sich die Videos an. Das ist der Punkt wo ich am meisten nervös bin, weil dann alles so real wird und es bald los gehen wird.
Wie haben deine Eltern reagiert, als du ihnen von diesem Sport erzählt hast?
-Im ersten Moment waren sie nicht so begeistert darüber. Sie waren auch sehr überrascht, da ich bis zu dieser Zeit nie so wirklich sportlich ambitioniert war. Leistungssport zu machen war eigentlich auch nie ein Thema, doch jetzt sind sie ganz stolz auf mich.
Hast du auch schon Brüche gehabt?
-Ja, bei den Austrian Open im Juni ist mir mit dem Fuß die Nase gebrochen worden. Eine Sekunde nicht aufgepasst, eben schlecht abgesetzt, meine Gegnerin hat die Situation voll ausgenutzt und hat mich voll getroffen. Kurzzeitig hat man natürlich bangen, dass eine Verletzung das Karriereende bedeuten können, das hat man immer so im Kopf, aber man darf nicht gleich an das Schlimmste denken. Das ist eben ein Lehre, dass man den Kopf immer hinten haben soll.
(re.:Markus Wedinger, li.: Tonia Scharpantgen)
Du bist 1.87 cm groß und wiegst momentan 76 kg, ist es da nicht schwer weibliche Sparring-Partnerinnen zu finden?
-Ich habe mehr Sparring-Partner als Partnerinnen, weil es näher an meiner Statur ist als jemand der 62 Kg hat. In der Staatsmeisterschaft waren wir beispielsweise lediglich zu dritt in meiner Gewichtsklasse.
Hat das aber Vor-oder Nachteile?
-Beides. Natürlich habe ich so weniger Konkurrenz, wenn es um Sachen geht, wie Nationalteameinsätze. Da bin ich immer die erste Wahl. So gesehen fällt der Konkurrenzdruck weg, aber ich bin zufrieden so wie es ist 🙂
Was sagst du jungen Menschen, die auch Taekwando ausüben möchten?
-Es macht einfach Spass. Die meisten Schüler sitzen auch sehr viel und das ist schon ein guter Ausgleich. Man fühlt sich einfach besser, man ist ausgepowert und man tritt selbstbewusster auf.
Abschließend gehören dir die letzten Worte.
-Ich möchte mich für die ganze Unterstützung bei meiner Familie und meinen Freunden bedanken, die sehr groß ist. Vor allem bei meinem Landeskadertrainer Markus Weidinger und meiner Ko-Trainerin Tonia Scharpantgen gilt ein ganz großes Dankeschön. Die Zeit und Ressourcen, die sie für mich aufwenden ist nicht mehr normal – vielen Dank!
Unten seht ihr Marlene in Action, als sie gegen die 6. Beste bei den Croatia Open gewann:
(Fotos: Digital Sport Network)