In der Vergangenheit wurde das Krafttraining im Kindes- und Jugendalter stark diskutiert. Folgende Mythen wurden geäußert: Krafttraining bewirkt bei Kindern keinen Muskelaufbau, Krafttraining führt bei jungen Menschen zu Wachstumsstörungen, zudem werden Verletzungen von Sehnen, Bänder und Knorpeln gefördert und Kinder sollten nur mit dem eigenen Körpergewicht trainieren. Dank neuester Forschungsberichte hat sich jedoch diese Sichtweise in den letzten Jahren sehr geändert.
Was darf ich meinem Kind zumuten?
Oft tauchen Fragen von besorgten Eltern auf, ob ein gezieltes Krafttraining im Kindes und Jugendalter sinnvoll ist, oder sogar Gefahren mit sich bringt. Solche Sorgen sind nicht unbegründet, da ein richtiges Krafttraining an Geräten ‘gelernt’ werden musst. Allzu oft werden die Bewegungen an den Geräten falsch ausgeübt. Zu beachten gilt:
- Statische Belastungen mit sehr hohen Gewichten sind zu vermeiden. Auch absolut maximale Kraftbelastungen sind nicht empfehlenswert.
- Eine gründliche Technikschulung und ein langsames Heranführen an höhere Belastungen ist unbedingt notwendig.
- Die Verwendung von Trainingsmaschinen sollte vermieden werden.
- Im Kindesalter dürfen keine Maximalkraftinhalte integriert werden, da der Stützapparat noch nicht ausreichend ausgebildet ist.
Was tun, wenn mein Kind übergewichtig ist?
Die weltweit zunehmende Technisierung sowie der damit verbundene Hang zu Computerspielen fördern eine Bewegungsmangel vieler Kinder und Jugendlicher. Weiterhin liegt das Problem an der mangelhaften Kooperation zwischen Schulen und Sportvereinen. Viele übergewichtige Kinder verlieren so immer mehr und mehr den Bezug zum Sport und finden keine Lösung zu ihrem Problem, welche sich im Laufe der jugendlichen Entwicklung zunehmend verschlechtern kann.
Das Kindes- und Jugendalter ist aber besonders geeignet für Anpassungen an Trainingsreize. In diesen sog. „sensiblen Phasen“ ist der kindliche Bewegungsapparat besonders für Krafttrainingsreize geeignet. Ein kindgerechtes, adäquates Krafttraining im Kindesalter ermöglicht Kindern zusätzlich koordinative Fortschritte, weil das erhöhte Kraftpotential Bewegungen mit dynamischeren Krafteinsätzen ermöglicht. In vielen Spielsportarten laufen einseitige Bewegungen ab, die langfristig muskuläre Dysbalancen zur Folge haben können. Ein kompensatorisches Krafttraining bietet den Ausgleich und die Vorbeugung dieser Dysbalancen.
Aufklärung der Mythen
Ein Krafttraining vor der Pubertät bringt noch keine signifikanten Muskelzuwächse, aber die Muskulatur wird deutlich leistungsfähiger, weil Muskelstränge die zuvor „brach“ lagen nun aktiviert und trainiert werden. Durch Krafttraining im Kindesalter wird vor allem die Koordination innerhalb eines Muskels geschult, sodass so viele Muskelfasern wie möglich aktiviert werden. Zudem verbessert sich das Zusammenspiel von Muskeln und Nerven, sodass die Muskulatur im Allgemeinen effektiver arbeitet. Die Leistungsfähigkeit der Muskeln steigt. Es kommt sehr wohl auch bei Kindern zu einer Erhöhung der Muskelmasse, wenn auch vielleicht in geringerer Form als bei Jugendlichen bzw. Erwachsenen.[1]
Nach aktuellem Wissensstand hat Krafttraining sogar den gegenteiligen Effekt als das der Wachstumsstörung. Nicht übertriebene Kraftbelastungen wirken sich positiv auf die kindliche Knochendichte und auf die Stärke des passiven Bewegungsapparats (Gelenken, Bändern, Sehnen etc.).
Eine aktuellere Studie von Myer (2009) analysierte die Verletzungsgründe beim kindlichen Krafttraining: bei Kindern von 8-13 Jahren werden zwei Drittel der Verletzungen durch Unfälle verursacht, also durch heruntergefallene Gewichte, oder unsachgemäße Benutzung von Trainingsgeräten. Mit zunehmendem Alter (Altersgruppe bis 30 Jahre) reduzieren sich diese Art von Unfälle und werden oft ersetzt durch Gelenks- und Muskelverletzungen. [2]
Außerdem werden Kinder bei den alltäglichsten Sporttätigkeiten (Skifahren, Fussballspielen u.s.w.) bereits sehr großen Belastungen ausgesetzt – Belastungen, welche einem Vielfachen des eigenen Körpergewichts entsprechen. So kann beispielsweise bei einer schnellen Abstopp- oder Abdruckbewegung das 3- bis 4-fache des Körpergewichts auf den kindlichen Stützapparat wirken.
Fazit
Die Muskulatur zu kräftigen und die Koordination zu fördern, ist auch im Kindesalter schon wichtig. Kindgerechtes Krafttraining macht Kinder mit Übergewicht fit, hilft beim Abnehmen und funktioniert auch ohne schwere Gewichte wunderbar. Wer seinem Kind trotzdem kein klassisches Krafttraining zumuten möchte, der kann auf andere sportliche Aktivitäten wie z.B. Ringen anstelle eines Athletiktrainings setzen. Dabei können die Kinder spielerisch ähnliche Übungen absolvieren und ebenfalls von den positiven Auswirkungen profitieren. Armdrücken ist ein weiteres Beispiel wie Kinder spielerisch an das Krafttraining herangeführt werden können.
Literaturnachweis:
[1] Faigenbaum A.D. et al (1996); The Effects of Strength Training and Detraining on Children; The Journal of Strength & Conditioning Research. [2] Myer G.D. et al (2009); Youth Versus Adult „Weightlifting“ Injuries Presenting to United States Emergency Rooms: Accidental Versus Nonaccidental Injury Mechanisms; The Journal of Strength & Conditioning Research. 23(7):2054-2060, October 2009.Quelle: https://www.muscle-corps.de/ und https://www.dr-gumpert.de/
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